Einführung BGB Allgemeiner Teil

Der Allgemeine Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) enthält diejenigen Vorschriften, die im gesamten BGB gelten.

Bsp.: Die Vorschriften über die Geschäftsunfähigkeit (§§ 104 ff. BGB) gelten sowohl für das Schuldrecht (z.B. für den Abschluss eines Kaufvertrages nach § 433 BGB) als auch im Sachenrecht (z.B. für den Erwerb einer Hypothek), im Familienrecht oder Erbrecht (ein Geschäftsunfähiger kann auch keine Ehe schließen oder ein Testament errichten).

Man spricht davon, dass der Allgemeine Teil des BGB „vor die Klammer gezogene“ Regeln für das gesamte BGB enthalte.

Tipp: Schon aus diesen wenigen Erwägungen ergibt sich, dass es sich bei BGB AT um ein besonders klausurwichtiges Gebiet handelt: BGB AT-Probleme kann der Klausurersteller wirklich in jede Klausur einbauen.

Am wichtigsten sind im BGB AT die Vorschriften, die sich mit dem Zustandekommen von Verträgen befassen, und in diesem Zusammenhang die Begriffe Vertrag, Rechtsgeschäft und Willenserklärung.

Daneben sind besonders klausurhäufig Probleme der Stellvertretung, der Anfechtung und des Minderjährigenrechts.

Dagegen können Sie für den Anfang eher hintanstellen das Vereinsrecht (§§ 21 ff. BGB), das selten Gegenstand von Klausuren ist. Im Übrigen macht es beim Vereinsrecht mehr Sinn, sich dieses im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsrecht zu erarbeiten, da hier vielerlei Querbezüge bestehen.

Keine überragende Klausurrelevanz haben auch die Vorschriften über die Verjährung (§§ 194 ff. BGB). Da sie trotzdem in Klausuren immer wieder mal vorkommen, werden sie zum Ende des Skripts erörtert, ebenso wie die wichtigen Spezialprobleme der Prüfung von AGBs und des Zustandekommens von Verträgen bei Internetauktionen.

A. Der Vertragsschluss
I. Einführung

Bei der Prüfung vertraglicher Ansprüche ist zunächst zu klären, ob ein Vertrag überhaupt zustande gekommen ist.

Aufgrund des Prinzips der Vertragsfreiheit kann jede der Parteien frei entscheiden, ob und mit wem sie einen Vertrag schließt (sog. Privatautonomie).

Der Vertrag stellt dabei einen Unterfall des Rechtsgeschäftes dar. Man unterscheidet zwischen einseitigen und mehrseitigen Rechtsgeschäften. Beispiel für ein einseitiges Rechtsgeschäft ist z.B. das Testament. Zu den mehrseitigen Rechtsgeschäften gehören Verträge aller Art, z.B. auch die Eheschließung oder die Gründung einer Gesellschaft.

Ein Vertrag besteht aus mindestens zwei übereinstimmenden Willenserklärungen, Angebot und Annahme (§§ 145 ff. BGB).

Definition: Unter einer Willenserklärung versteht man die auf einen Rechtserfolg gerichtete Willensäußerung.

Bsp.: A bietet dem B an, ihm sein Fahrrad für 140.- Euro zu verkaufen. Es liegt eine Willenserklärung vor.

Gegenbeispiel: C fragt die D, ob sie mit ihr heute Nachmittag ins Fitnessstudio gehen möchte. Keine Willenserklärung, da der Wille der C nicht auf eine Rechtsfolge gerichtet ist.

Bei den Willenserklärungen ist weiterhin zwischen den empfangsbedürftigen und den nichtempfangsbedürftigen Willenserklärungen zu unterscheiden.

Die empfangsbedürftige Willenserklärung unter Abwesenden wird erst mit Zugang beim Empfänger wirksam (§ 130 I BGB).

Bsp.: A bietet dem B per Brief ein Bild aus seiner Kunstsammlung zum Kauf an. Das Angebot wird erst wirksam, wenn der Brief den B tatsächlich erreicht.

Beachte: Soweit das BGB wie z.B. in § 130 I BGB zwischen Willenserklärungen unter Abwesenden und unter Anwesenden unterscheidet, ist noch nicht abschließend geklärt, wie moderne Kommunikationsformen wie Messengerdienste (whatsapp u.ä.) hier einzuordnen sind. Die Vorschrift des § 147 I 2 BGB – Gespräche durch „Fernsprecher“ (=Telefon) und mittels „technischer Einrichtungen“ gelten als Erklärungen unter Anwesenden – macht allerdings deutlich, dass es hier nicht auf die räumliche Anwesenheit ankommen kann. Entscheidend dürfte vielmehr der „unmittelbare Dialog“ von Person zu Person sein.

Nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen werden bereits in dem Moment wirksam, in dem sie abgegeben werden.

Bsp.: Erbonkel O macht sein Testament und verschließt es, ohne mit einer anderen Person darüber zu reden, in seinem Schreibtisch. Das Testament ist wirksam abgegeben.

II. Willenserklärung

Eine Willenserklärung ist immer auf einen rechtlichen Erfolg gerichtet.

Sie besteht aus einem objektiven (äußeren) und einem subjektiven (inneren) Tatbestand. Unter dem objektiven Tatbestand einer Willenserklärung versteht man das, was nach außen erkennbar erklärt wurde. Subjektiver Tatbestand ist dagegen das, was der Erklärende tatsächlich sagen wollte.

Da man den Empfänger einer Willenserklärung, der ja schließlich nicht wissen kann, was sich der Äußernde tatsächlich gedacht hat, schützen will, gilt bei einer Divergenz zwischen äußerem und innerem Erklärungstatbestand das tatsächlich gesagte (sog. Auslegung nach dem Empfängerhorizont).

1. Objektiver Tatbestand

Als objektiven Tatbestand bezeichnet man das, was als Erklärung des eigenen Willens nach außen dringt. Dabei braucht die Erklärung des Willens nicht ausdrücklich zu erfolgen, dies kann vielmehr auch konkludent geschehen (Handzeichen, Kopfnicken).

Dem Schweigen allerdings kann nur in Ausnahmefällen ein Erklärungswert beigelegt werden.

Bsp.: A bestellt gelegentlich Tee verschiedener Geschmacksrichtungen auf der Website der T. Nach einigen Monaten erhält sie eine E-Mail, wonach ihre Bestellungen in ein Abonnement umgewandelt würden (mit verschiedenen Vergünstigungen, Gratisgeschenken etc.). Wenn sie damit einverstanden wäre, bräuchte sie „nichts weiter zu unternehmen“. Auch wenn A nicht aktiv wird, kommt das Abo nicht zustande, und zwar selbst dann nicht, wenn sie ihr zugeschickten Tee nicht zurücksendet (vgl. auch § 241a BGB).

Die Frage, ob nach dem objektiven Empfängerhorizont bereits ein verbindliches Angebot gewollt ist, ist kritisch zu prüfen insbesondere bei der sog. invitatio ad offerendum (lateinisch für: Einladung zum Angebot).

Eine solche liegt dann vor, wenn ein Händler zwar eine Ware dem Publikum zu einem bestimmten Preis anbietet, sich aber für den konkreten Fall ersichtlich noch vorbehalten will, ob er sie einem Interessenten auch verkaufen will.

Bsp.: Angebote auf einer Website, Preisschild im Laden

Anders als man zunächst denken könnte, wird dies in den meisten Situationen der Fall sein, da der Anbietende sich in der Regel etwa vorbehalten will, nur an seriöse und solvente Interessenten zu verkaufen, und zugleich etwa auch verhindern will, in eine Pflicht zur Erfüllung zu geraten, wenn zu viele Interessenten gleichzeitig auftauchen.

Fallbeispiel: Die A entdeckt im Schaufenster des Juweliers J einen Ring, der ihr besonders gefällt. Neben dem Ring steht ein Preisschild, das den Preis des Rings mit 800.- Euro angibt. A geht in den Laden und sagt zum Verkaufsangestellten V, sie kaufe den Ring. V lehnt dies jedoch ab, da er den Ring am Vormittag schon einer anderen Kundin versprochen hat.

Lösung:

A könnte gegen den J einen Anspruch auf Übereignung des Rings aus § 433 I 1 BGB haben.

a) Dann müsste zwischen beiden ein wirksamer Kaufvertrag zu Stande gekommen sein. Dazu bedarf es zweier übereinstimmender Willenserklärungen, Angebot und Annahme, § 145 ff. BGB.

In der Auszeichnung des Rings mit 800.- Euro im Schaufenster könnte ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages des J zu sehen sein, § 145 BGB.

Dann müsste hinsichtlich des Preisschildes der Tatbestand einer Willenserklärung erfüllt sein. Unzweifelhaft hatte der J den Willen, den Ring zu dem angegebenen Preis zu verkaufen, als er das Preisschild in das Schaufenster stellte.

Es fragt sich jedoch, ob sich der J durch das Preisschild schon in einem rechtlichen Sinne binden wollte. Dies ist zweifelhaft, und zwar schon allein deshalb, weil er den Ring sicher nicht mehrmals verkaufen will, er im Falle eines verbindlichen Angebots aber Gefahr liefe, dass gleich zwei Kunden gleichzeitig den Ring kaufen.

Auch ist anzunehmen, dass sich der J vorbehalten wollte, sich seinen Vertragspartner auszusuchen, beispielsweise nach der Solvenz.

Es ist daher nicht davon auszugehen, dass J bei der Preisauszeichnung mit Rechtsbindungswillen handelte.

Wird eine Ware im Schaufenster mit einem Preis zu versehen, ist vielmehr nur eine sog. invitatio ad offerendum anzunehmen. Es fordert potenzielle Kunden auf, ihrerseits in das Geschäft zu gehen und ein Angebot abzugeben.

Ein Angebot ist daher erst in der Erklärung der A zu sehen, sie kaufe den Ring.

b) Ein Vertrag ist jedoch noch nicht zu Stande gekommen, da der V als Vertreter des J (§ 164 I BGB) dieses Angebot nicht angenommen, sondern abgelehnt hat (§ 146 BGB).

A hat keinen Anspruch gegen den J auf Übereignung des Rings aus § 433 I 1 BGB.

Wichtig: Insbesondere Angebote auf einer Website im Internet werden in der Regel nur als invitatio ad offerendum zu verstehen sein, da der Verkäufer nicht vorbehaltlos mit einer ihm völlig unbekannten Person abschließen will (anders aber bei Käufen bei Ebay, dazu weiter unten).

2. Subjektiver Tatbestand

Der subjektive Tatbestand einer Willenserklärung teilt sich in drei Teile:

a) Handlungswille

Eine Willenserklärung liegt nicht vor, wenn dem Erklärenden gar nicht klar ist, dass er gerade eine willentliche Handlung vornimmt, also zum Beispiel bei Reflexen, Handlungen im Schlaf oder Handlungen unter der Einwirkung unüberwindbaren Zwangs.

Bsp.: A reißt in einer Versteigerung reflexartig den Arm hoch, da er von einer Wespe gestochen wird; B redet im Schlaf und fragt seine Freundin, ob sie ihn heiraten möchte

b) Erklärungsbewusstsein

Dem Erklärenden muss bewusst sein, dass er durch seine Handlung irgendetwas rechtlich Erhebliches erklärt.

Beachte: Ein Irrtum darüber, was genau erklärt wird, lässt das Erklärungsbewusstsein unberührt. So z.B., wenn versehentlich die falsche Menge einer Ware bestellt wird.

Man spricht insoweit auch von einem rechtlichen Bindungswillen, dem sog. Rechtsbindungswille.

Bsp. (sog. „Trierer Weinversteigerung): A winkt in einer Weinversteigerung seinem Freund X zu. Der Versteigerer hält dies für ein Gebot und erteilt A den Zuschlag. Hier ist das Vorliegen einer Willenserklärung problematisch, da der A zwar Handlungswille hat, ihm jedoch das Erklärungsbewusstsein fehlt (zu den – streitigen – Folgen des Fehlens des Erklärungsbewusstseins vgl. weiter unten).

Sonderproblem: Gefälligkeitsverhältnis

Problematisch ist auch die Abgrenzung der mit Rechtsbindungswillen abgegebenen Willenserklärung zur reinen Gefälligkeit.

Bsp.: Der etwas egozentrische A lädt verschiedene Freunde für den Abend zu einer Party in seine Wohnung ein. Als die Gäste kommen, ist er nicht da, da er nun doch keine Lust auf eine Party hat. Die Gäste haben keinen Anspruch auf Ersatz der Anfahrtskosten nach §§ 311 II, 241 II BGB, da es dem A insoweit an einem rechtlichen Bindungswillen fehlt. Es handelt sich bei der Party lediglich um eine Gefälligkeit des gesellschaftlichen Bereichs.

Merke: Im Einzelfall können auch aus Gefälligkeitsverhältnissen Rechtspflichten entstehen, nämlich vor allem dann, wenn es um Schadensersatzpflichten geht. Allein der Tatsache, dass die Parteien auf der Ebene der Erfüllungsansprüche (=Primärebene) keine rechtliche Bindung gewollt haben, schließt nämlich nicht aus, dass für etwaige Schäden (=Sekundärebene), die im Rahmen des Gefälligkeitsverhältnisses entstehen, nicht doch ein schuldrechtliches Einstehen gewollt ist.

Bsp.: A und B sind Transportunternehmer. Da der B einen Auftragsüberhang zu bewältigen hat, überlässt ihm der A aus alter Freundschaft für einige Tage einen seiner Lkws. Ein Leihvertrag (§ 598 BGB) ist nicht anzunehmen, da der A wohl keine rechtliche Verpflichtung wollte. Wird der Lkw nun aber etwa im Rahmen eines Unfalls fahrlässig durch B beschädigt, steht dem A trotzdem ein Schadensersatzanspruch aus § 280 I BGB zu. Angesichts des Wertes des Lkw ist anzunehmen, dass zumindest eine schuldrechtliche Haftung für schuldhafte Beschädigungen gewollt ist. Dabei ist hinsichtlich des Verschuldensmaßstabes für denjenigen, der die Gefälligkeit erwiesen hat, umstritten, ob seine Haftung analog §§ 521, 599, 690 auf grobe Fahrlässigkeit zu reduzieren ist. Von der h.M. wird dies jedoch abgelehnt, da das den Gefälligkeitsverhältnissen am nächsten stehende Auftragsrecht jedenfalls auch keine Haftungsmilderung kennt.

c) Geschäftswille

Anders als das Erklärungsbewusstsein ist der Geschäftswille auf einen ganz bestimmten rechtlichen Erfolg gerichtet.

Wichtig: Anders als das fehlende Erklärungsbewusstsein lässt ein fehlerhafter Geschäftswillen die Wirksamkeit der Willenserklärung unberührt. Die Willenserklärung ist aber i.d.R. nach § 119 I BGB anfechtbar.

Bsp.: A vertippt sich und bestellt für sein Yogastudio statt 20 Yogamatten gleich 200 Stück. Die Willenserklärung ist wirksam, kann aber von A im Nachhinein nach § 119 I BGB angefochten werden.

d) Der fehlerhafte subjektive Erklärungstatbestand

Fehlen einer oder mehrere Teile des subjektiven Erklärungstatbestandes, so sind die Rechtsfolgen teilweise umstritten.

Einigkeit besteht jedenfalls darin, dass ohne einen Handlungswillen, d.h. z.B. bei reinen Reflexhandlungen, eine Willenserklärung nicht zu Stande kommt. Umgekehrt hindert ein fehlender Geschäftswille die Annahme einer Willenserklärung nicht. Dies erklärt sich schon daraus, dass ansonsten die Regeln für die Anfechtung einer Willenserklärung überflüssig wären.

Über die Folgen des fehlenden Erklärungsbewusstseins, d.h. der Erklärende handelt zwar bewusst, weiß aber nicht, dass er gerade etwas rechtlich erhebliches erklärt, besteht dagegen Uneinigkeit.

Bespielsfall (sog. „Trierer Weinversteigerung“, s.o.): A winkt auf einer Weinversteigerung seinem Freund B zu. Der Versteigerer V hält dies für ein Angebot und erteilt A den Zuschlag für ein Weinfass. Muss A zahlen?

Lösung:

V könnte gegen den A einen Anspruch auf Zahlung aus §§ 433 II, 156 S. 1 BGB haben.

a) Dann müsste ein wirksamer Kaufvertrag zu Stande gekommen sein. In dem „Angebot“ des Weinfasses durch V ist zunächst kein Angebot im Sinne des § 145 BGB zu sehen, da es sich um eine bloße „invitatio ad offerendum“ (siehe oben) handelt.

Fraglich ist jedoch, ob in dem Winken des A ein Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages zu sehen ist, § 145 BGB. Zwar muss ein solches Angebot nicht ausdrücklich erfolgen, es reicht ein konkludentes Verhalten, aus dem ein potenzieller Empfänger den Schluss ziehen kann, dass ein Vertragsabschluss gewollte ist (sog. Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont). Der objektive Tatbestand einer Willenserklärung ist also gegeben.

Merke: „Konkludent“ meint ein Verhalten, dass aus den Gesamtumständen einen Erklärungswillen erkennen lässt, ohne dass dieser ausdrücklich geäußert wird.

Bsp.: Kopfnicken als Annahme eines Angebots, Parken auf einem gebührenpflichtigen Parkplatz, ein Arbeitsverhältnis wird nach Ablauf der Zeit für die es eingegangen worden ist stillschweigend fortgesetzt.

Auch hatte der A Handlungswillen, sein Hochreißen des Armes war keine bloße Reflexbewegung.

Allerdings fehlte ihm wieder das Erklärungsbewusstsein, da ihm nicht bewusst war, irgendetwas rechtlich Erhebliches zu erklären.

Zur Lösung dieses Falles werden zwei verschiedene Theorien vertreten:

Nach der sog. Willenstheorie kann ohne Erklärungsbewusstsein eine Willenserklärung nicht vorliegen.

Dagegen fordert die Erklärungstheorie (h.M.), dass sich der Erklärende an seiner Erklärung festhalten lassen muss, und zwar obwohl ihm das Erklärungsbewusstsein gefehlt hat. Eine Ausnahme gilt nur, wenn er überhaupt nicht hätte erkennen können, dass er gerade etwas rechtlich Erhebliches erklärt.

Dabei spricht für die Erklärungstheorie, dass sie einen gerechteren Ausgleich zwischen den Interessen des Erklärenden und des Erklärungsempfängers liefert. Ausgehend vom Empfängerhorizont geht sie zunächst von einer Gültigkeit der Erklärung aus, korrigiert dieses Ergebnis jedoch dann, wenn dem Erklärenden hinsichtlich seines Irrtums keinerlei Sorgfaltsvorwurf zu machen ist.

Im Ergebnis unterscheiden sich beide Theorien jedoch nicht so weit, wie häufig angenommen wird, da auch die Vertreter der Erklärungstheorie dem Erklärenden gestatten, seine Erklärung analog § 119 I BGB anzufechten, umgekehrt die Vertreter der Willenstheorie dem „Erklärungsempfänger“ einen Schadensersatzanspruch nach § 122 I BGB analog gewähren, wenn das Fehlen des Erklärungsbewusstseins beim Erklärenden durch Fahrlässigkeit begründet war.

Im vorliegenden Fall ist also zu fragen, ob der A hätte erkennen können, dass das Hochreißen des Armes als Gebot verstanden werden konnte. Dies ist zu bejahen, da dem A bewusst war, dass er sich auf einer Versteigerung befand.

A hat somit ein wirksames Angebot gemäß § 145 BGB abgegeben.

b) Durch den Zuschlag (vgl. § 156 BGB) hat der V dieses Angebot des A auch wirksam angenommen. Ein Kaufvertrag ist folglich zustande gekommen.

V hat somit gegen den A einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung aus § 433 II BGB.

Beachte: Der Unterschied zwischen dem oben erörterten Fall der invitatio ad offerendum und dem vorliegenden Fall liegt insoweit darin, dass beim ersten Fall auch schon aus Sicht eines verständigen Kunden nicht mit einem Rechtsbindungswille des Verkäufers gerechnet werden kann, mithin auch nach dem objektiven Erklärungstatbestand schon keine Willenserklärung vorliegt. Dies ist im zweiten Fall anders, hier muss auch ein verständiger Versteigerer auf das Vorliegen eines Gebotes durch den Auktionsteilnehmer schließen.

3. Auslegung von Willenserklärungen
a) Grundsatz: Auslegung nach dem Empfängerhorizont

Nach §§ 133, 157 BGB sind Willenserklärungen nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Danach gilt die Erklärung so, wie sie von einer „verständigen Person“ unter Berücksichtigung aller Umstände bei Abgabe der Erklärung verstanden werden muss.

Dabei dient die Auslegung nach dem Empfängerhorizont der Rechtssicherheit. Wollte man rein subjektiv nach dem gehen, was der Vertragspartner tatsächlich gewollt hat, könnte sich niemand mehr auf die Aussagen seines Vertragspartners verlassen.

Beispielsfall (Anwendbarkeit deutschen Rechts unterstellt): B kauft über das Internet auf einer neuseeländischen Website des D ein Digeridoo für 600 Dollar. Dabei denkt er, es handele sich um US-$, in Wahrheit sind aber neuseeländische Dollar (NZ-$) gemeint. D sendet ihm das Instrument zu.

Lösung (Verbraucherschutzrechte bleiben außer Betracht):

D könnte gegen den B einen Anspruch auf Zahlung von 600 NZ-Dollar aus § 433 II BGB haben.

a) Dann müsste ein Kaufvertrag mit diesem Inhalt zustande gekommen sein.

Im Angebot auf der Website ist noch kein Angebot im Sinne des § 145 BGB zu sehen, da es sich insoweit um eine invitatio ad offerendum handelt.

Ein Angebot ist in der Bestellung des Digeridoo durch den B zu sehen. Dabei kann dieses Angebot unter verständiger Würdigung aller Umstände (Bestellung des Instruments in Neuseeland, neuseeländische Website) nur so gewürdigt werden, dass der Kaufvertrag in NZ-$ zustande kommen soll. Es ist bei Verträgen üblich, dass sie in der jeweiligen Landeswährung geschlossen werden.

Es wurde insoweit auch keine abweichende Vereinbarung zwischen den Parteien getroffen.

Ein Angebot i.S.v. § 145 BGB liegt somit vor.

b) D hat dieses Angebot durch Zusendung des Digeridoo auch konkludent angenommen.

Ein Kaufvertrag ist somit zu Stande gekommen; D hat gegen den B einen Anspruch auf Zahlung von 600 NZ-$ aus § 433 II BGB.

Auf den ersten Blick wirkt möglicherweise erstaunlich, dass B nun tatsächlich 600 NZ-$ bezahlen muss, ohne dass er dies je gewollt hat. Dies scheint dem Grundsatz der Vertragsfreiheit zu widersprechen.

Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass der B seine Willenserklärung wegen des ihm unterlaufenen Irrtums gem. § 119 I BGB anfechten kann. Nach § 142 I BGB hat dies zur Folge, dass der Vertrag als von Anfang an (lateinisch: ex tunc) nichtig anzusehen ist. Insoweit wird also der Erklärende doch wieder geschützt.

Allerdings muss der Erklärende im Falle einer Anfechtung dem Erklärungsempfänger (hier dem D) Schadensersatz für die Aufwendungen zahlen, die dieser im Vertrauen auf das Zustandekommen des Geschäfts vorgenommen hat (sog. Vertrauensschaden), vgl. § 122 I BGB.

B müsste dem D also z.B. die Versendungskosten für das Digeridoo bezahlen.

b) falsa demonstratio

Im seltenen Fall, dass die Parteien beide den Vertragsgegenstand falsch bezeichnen, aber trotzdem beide übereinstimmend dasselbe meinen, ist die abweichende Bedeutung unbeachtlich, es gilt das von den Parteien tatsächlich gewollte.

Die „falsche Bezeichnung“ durch die Parteien schadet also nicht (lat.: falsa demonstratio non nocet).

Bsp.: A und B sind alte Freunde. A bietet B an, von ihm die „Schüssel“ zu kaufen. Beide wissen aber, dass damit der uralte Pkw des B gemeint ist.

Der Grundsatz, dass die Falschbezeichnung nicht schadet, gilt grundsätzlich sogar bei formbedürftigen Rechtsgeschäften (z.B. Grundstückskaufverträge).

c) Dissens (§§ 154, 155 BGB)

Ein Dissens liegt vor, wenn die Parteien sich über einen Punkt, über den sie einen Vertrag schließen wollen, noch nicht geeinigt haben.

Zu unterscheiden ist insoweit zwischen dem „offenen“ Dissens (§ 154 BGB), bei dem den Parteien die mangelnde Einigung bewusst ist, und dem „versteckten“ Dissens (§ 155 BGB), bei dem die Parteien den Punkt, über den sie sich nicht einig geworden sind, übersehen haben.

Solange zwischen den Parteien in einem Punkt ein offener Dissens herrscht, gilt der Vertrag gemäß § 154 BGB im Zweifel als nicht geschlossen.

Bsp.: fehlende Einigung über den Kaufpreis oder die Höhe der Miete einer Wohnung

Ausnahmsweise kann hier etwas anderes gelten, wenn die Parteien offensichtlich trotzdem die Wirksamkeit des Vertrages wollten.

Bsp.: A und B sind begeisterte Münzsammler und verkaufen und tauschen seit Jahren miteinander Münzen. Dabei sind sie sich letztlich noch immer einig geworden und legen zur Verrechnung grundsätzlich Preise zugrunde, die praktisch immer den im aktuellen Sammler-Katalog angeführten Preisen entsprechen. Hier könnte ein Verkauf wirksam werden, ohne dass über den Kaufpreis konkret gesprochen worden ist.

Dagegen ist bei einem versteckten Dissens der Vertrag im Zweifel wirksam (§ 155 BGB). Dies erklärt sich auch daraus, dass der versteckte Dissens praktisch immer nur Nebenpunkte betreffen wird. Hätten sich die Parteien in einem Hauptpunkt nicht geeinigt, wäre ihnen dieses ja aufgefallen. Der fehlende Punkt ist, soweit sich die Parteien nicht noch im Nachhinein einigen können, durch vernünftige Auslegung zu ergänzen.

Bsp.: V hat an M für zwei Wochen eine Ferienwohnung an der Nordsee vermietet. Dabei wurde vergessen zu regeln, ob die Nutzung der dort in einem Schuppen befindlichen Fahrräder mit in der Miete inbegriffen ist.

Tipp: Die Vorschriften über den Dissens haben für sich genommen in der Klausur nur eine geringe Bedeutung. Wichtig ist allerdings der Streitstand um die sich widersprechenden AGBs von zwei Parteien, der nach h.M. allerdings gerade nicht über §§ 154, 155 BGB gelöst wird. Die Vorschriften über den Dissens sind dort aber anzuprüfen und abzulehnen (vgl. dazu weiter unten).

4. Wirksamwerden einer Willenserklärung

Bei der Frage des Wirksamwerdens einer Willenserklärung ist wiederum zwischen empfangsbedürftigen und nichtempfangsbedürftigen Willenserklärungen zu unterscheiden.

Nicht empfangsbedürftig: wird allein durch Abgabe wirksam.
Bsp.: Für ein Testament reicht die Formulierung in der Form des § 2247 BGB. Der potenzielle Erblasser muss das Testament niemandem zeigen.

Empfangsbedürftig (unter Abwesenden): zusätzlich ist der Zugang beim Empfänger erforderlich, § 130 I BGB (z.B. Angebot auf Abschluss eines Vertrages).

a) Abgabe

Was „Abgabe“ ist, ist gesetzlich nicht ausdrücklich normiert. Nach h.M. ist eine Willenserklärung abgegeben, wenn sie vom Erklärenden so in den Rechtsverkehr entlassen wird, dass sie den Empfänger unter normalen Umständen erreicht.

Bsp.: A setzt ein schriftliches Kaufangebot an B auf und wirft es persönlich in den Briefkasten. Auch wenn der Brief B nicht erreicht, ist die Erklärung abgegeben.

Gegenbeispiel: A schreibt das Kaufangebot, lässt es aber zur erneuten Prüfung auf dem Schreibtisch liegen. Die Sekretärin wirft es eigenmächtig ein. Keine Abgabe, da nicht willentlich in den Rechtsverkehr entlassen.

Merke: Bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen muss der Erklärende die Erklärung nicht „auf den Weg bringen“. Die bloße Formulierung genügt (z.B. Testament).

b) Zugang

Zu unterscheiden ist zwischen Zugang unter Anwesenden und unter Abwesenden.

Unter Anwesenden (dazu zählt auch telefonisch, § 147 I 2 BGB): Zugang sofort, wenn der Erklärende nach den Umständen damit rechnen durfte, dass der Empfänger richtig und vollständig verstanden hat (eingeschränkte Vernehmungstheorie).

Unter Abwesenden (h.M.): Zugang, wenn die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass unter normalen Umständen mit Kenntnisnahme zu rechnen ist.

Bsp.: A (Vermieter) wirft B die Kündigung abends 22 Uhr in den Hausbriefkasten. Zugang am nächsten Morgen (normale Kenntnisnahme). Urlaub des B ist unerheblich.

Beachte (moderne Kommunikation):
Die Abgrenzung An-/Abwesende bei Messengerdiensten ist gesetzlich nicht abschließend geklärt. § 147 I 2 BGB (Telefon/„technische Einrichtungen“) zeigt: Nicht die räumliche Anwesenheit, sondern der dialogische Charakter ist maßgeblich. E-Mail wird eher wie Zugang unter Abwesenden behandelt (Kenntnisnahme typischerweise).

Hintergrund:
§ 147 I 2 BGB („Fernsprecher“) stammt aus 1900; die Wertung lässt sich auf heutige Fälle (Messaging, Videokonferenzen) übertragen.

Bedeutung des Zugangs:
Wichtig für Fristen und die Möglichkeit des Widerrufs. Nach § 130 I 2 BGB wird die Erklärung nicht wirksam, wenn dem Empfänger vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.

Beispielsfall (E-Mail/Telefon/Widerruf):
B nimmt per E-Mail in der Donnerstagnacht an; A liest Mails gewöhnlich täglich. B widerruft telefonisch am Samstagnachmittag.

Lösung:

Anspruch A gegen B aus § 433 II BGB, wenn Kaufvertrag wirksam.

Angebot des A: unproblematisch, § 145 BGB.

Annahme des B: wirksam nur, wenn kein Widerruf vorher/gleichzeitig zugegangen ist (§ 130 I 2 BGB).

Widerruf (Telefon): Zugang am Samstag (Erklärung unter Anwesenden, § 147 I 2 BGB).

E-Mail-Annahme: Zugang, sobald unter gewöhnlichen Umständen mit Kenntnisnahme zu rechnen ist → Freitag (A sieht Mails täglich). Tatsächliches Lesen ist unerheblich.

Wichtig (Geschäftsverkehr): E-Mail gilt als sofort zugegangen, wenn sie innerhalb der Geschäftszeit eingeht (BGH NJW 2022, 3791). Zugang sogar bei Spam-Ordner nach h.M.

Vertrag bereits am Freitag zustande gekommen → Anspruch aus § 433 II BGB gegeben.

Beachte:
Ungeklärt ist, ob das Löschen einer Textmessage einem Widerruf (§ 130 I 2 BGB) entspricht. Sinn der Norm spricht dafür, solange der Empfänger keine Kenntnis hatte.

c) Entbehrlichkeit des Zugangs

Ausnahmsweise ist der Zugang der Annahme entbehrlich, wenn sie nach Verkehrssitte nicht erwartet wird oder der Antragende darauf verzichtet hat (vgl. § 151 BGB).

Bsp.: Annahme einer Bürgschaftserklärung (§ 765 BGB) braucht nach h.M. nicht ausdrücklich erklärt zu werden.
Wichtig: § 151 BGB bedeutet Verzicht auf die Erklärung der Annahme, nicht auf die Annahme selbst (kann konkludent erfolgen, z.B. Abheften der Bürgschaft).

§ 152 BGB: Entsprechendes für notariell beurkundete Verträge.

Bsp.: V macht K ein bis 30.6. befristetes, notariell beurkundetes Angebot zum Grundstückskauf (§§ 145, 311b I BGB). K lässt am 30.6. getrennt (§ 128 BGB) beim Notar annehmen. Vertrag fristgerecht zustande gekommen; es kommt auf Zugang bei V nicht an.

Lerneinheit 2 (Übersicht)

Geschäftsunfähigkeit und beschränkte Geschäftsfähigkeit (§§ 104 ff. BGB), Voraussetzungen der Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB), Abgrenzung Stellvertretung/Bote, „Geschäft für den, den es angeht“, Innen- und Außenvollmacht, Missbrauch der Vertretungsmacht

B. Geschäftsfähigkeit
I. Allgemeines

Geschäftsfähigkeit: Fähigkeit, durch Willenserklärungen Rechtsfolgen herbeizuführen und Rechtsgeschäfte voll wirksam vorzunehmen.
Eintritt grundsätzlich mit Volljährigkeit (Vollendung 18. Lebensjahr), §§ 2, 106 BGB.

Merke: Streng zu unterscheiden von Rechtsfähigkeit (Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein), beginnt beim Menschen mit der Geburt, § 1 BGB.

Bsp.: A (2 Jahre) kann noch keine Verträge schließen, aber bereits Eigentümer eines Grundstücks sein (z.B. durch Erbfall).

Fazit: Rechtsfähigkeit ≠ Geschäftsfähigkeit. Für aktive Teilnahme am Rechtsleben ist Einsichtsfähigkeit nötig. Der Gesetzgeber definiert nicht positiv, wer geschäftsfähig ist, sondern negativ, wer es nicht ist.

Unterscheidung: Geschäftsunfähigkeit vs. beschränkte Geschäftsfähigkeit.

II. Geschäftsunfähigkeit

§ 104 BGB bestimmt den Kreis der Geschäftsunfähigen.
Nach § 104 Nr. 2 BGB können nicht nur Kinder unter 7 Jahren geschäftsunfähig sein, sondern im Prinzip jeder Mensch.

Geisteskranke: Es muss zum Zeitpunkt des Geschäfts eine Störung der Geistestätigkeit vorliegen. Bei lucidum intervallum (lichten Augenblick) gilt die Erklärung wie bei Gesunden.

Da Kinder und Geisteskranke rechtsfähig sind, müssen sie vertrittsfähig am Rechtsverkehr teilnehmen können:

Kinder: gesetzliche Vertretung durch Eltern, §§ 1626, 1629 BGB.

Geisteskranke: regelmäßig Betreuer nach §§ 1896 ff. BGB.

Beachte (§ 105a BGB): Geschäftsunfähige können Bargeschäfte des täglichen Lebens wirksam vornehmen.
Bsp.: G kauft in der Bäckerei einen Kaffee und zahlt sofort.

Zugang bei Geschäftsunfähigen: Zugang bei gesetzlichem Vertreter maßgeblich, § 131 I BGB.

III. Beschränkte Geschäftsfähigkeit

Kinder/Jugendliche (7–18 Jahre) sind nach §§ 106 ff. BGB beschränkt geschäftsfähig.

Minderjährige dürfen bestimmte Rechtsgeschäfte eigenständig vornehmen; Schutz vor unüberschaubaren Nachteilen bleibt gewahrt.

§ 107 BGB: Rechtsgeschäfte, die rechtlich ausschließlich vorteilhaft sind, dürfen sie selbst vornehmen.

Bsp.: 15-jähriger A bekommt eine Spielkonsole geschenkt (§ 516 BGB) → wirksam (kein rechtlicher Nachteil).

Gegenbeispiel: 19-jähriger B verkauft dem 15-jährigen A die Konsole für 15 €. Trotz günstigen Preises: rechtlicher Nachteil (Zahlungspflicht § 433 II BGB) → nicht wirksam ohne Zustimmung.

Für nicht lediglich vorteilhafte Geschäfte braucht der Minderjährige die Einwilligung (§ 107 BGB; vorherige Zustimmung, § 183 S. 1 BGB).
Sie kann pauschal für einen Kreis von Geschäften erteilt werden.

Bsp.: 12-jähriger A baut ein Baumhaus; Eltern erlauben den Materialkauf im Baumarkt nach Bedarf.

Fehlt Einwilligung: Geschäft ist schwebend unwirksam (§ 108 I BGB); Wirksamkeit hängt von Genehmigung ab (§ 184 I BGB).

Verweigerung: endgültig unwirksam.

Genehmigung: von Anfang an voll wirksam.

Rechtsposition des Vertragspartners:
Kann nach § 108 II BGB die Eltern zur Erklärung binnen Frist auffordern; außerdem Widerruf nach § 109 BGB, wenn Minderjährigkeit unbekannt war.

Rechtlich neutrales Geschäft: Fällt trotz Wortlaut unter § 107 BGB (weder Vor- noch Nachteil), z.B. Übereignung einer nicht eigenen Sache an Dritten.

Beispielsfall (Kauf Konsole, 99 €)

Frage: Gültigkeit des Kaufvertrags und Eigentumslage.

Kaufvertrag (§ 433 BGB):
A ist beschränkt geschäftsfähig (§§ 2, 106 BGB).

§ 107 BGB: nicht lediglich vorteilhaft (Zahlungspflicht 99 €) → schwebend unwirksam (§ 108 I BGB).

Wirksamkeit hängt von Genehmigung der Eltern (§§ 1626, 1629 BGB; § 184 S. 1 BGB) ab.

Ohne Genehmigung: Kaufvertrag unwirksam.

Eigentum an der Konsole:
Merke (Abstraktionsprinzip): Schuldrecht (Kauf) ≠ Dinglich (Übereignung § 929 S. 1 BGB).

A könnte nach § 929 S. 1 Eigentum erworben haben:

Einigung und Übergabe rechtlich vorteilhaft (§ 107 BGB) → wirksam, obwohl Kauf schwebend unwirksam.

Zahlung des Kaufpreises (Übereignung des Geldes) ist drittes Rechtsgeschäft und für A rechtlich nachteilig → schwebend unwirksam.

Ergebnis: A ist Eigentümer der Konsole geworden.

Anmerkung (Rückabwicklung bei Verweigerung):
Fehlt Rechtsgrund (Kaufvertrag), A ist rechtsgrundlos bereichert → § 812 I 1 BGB Rückübertragung.
Dazu bedarf es einer dinglichen Rückübertragung (§ 929 S. 1 BGB), die für A nachteilig ist → Vertretung durch die Eltern (§§ 1626, 1629 BGB).

IV. „Taschengeldparagraph“ (§ 110 BGB)

Minderjährige können auch rechtlich nachteilige Geschäfte wirksam schließen, wenn sie die Leistung mit übergebenen Mitteln (Zweck/freie Verfügung) bewirken.

Typisch: Taschengeld, aber auch Ferienjoblohn (mit elterlicher Einwilligung).

Bsp.: 99 € sind von A erspartes Taschengeld → Kaufvertrag nach § 110 BGB wirksam.

Wichtig: Der Minderjährige muss seine Leistung bewirkt haben (§ 362 I BGB).

Unwirksam: Raten-/Kreditverpflichtungen für die Zukunft (Leistung noch nicht bewirkt), selbst wenn aus Taschengeld zahlbar.

Charakter: Gesetzlich geregelte konkludente Zustimmung. § 110 BGB gilt nicht, wenn elterliche Zustimmung unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ausgeschlossen ist.

Bsp.: 15-jähriger A kauft von 19-jährigem T einen Totschläger. Zahlung aus Taschengeld hilft nicht → keine Wirksamkeit nach § 110 BGB.

C. Stellvertretung

Nach §§ 164 ff. BGB können Parteien ein Rechtsgeschäft durch Vertreter vornehmen lassen.

Ausnahmen (höchstpersönlich): z.B. Eheschließung (§ 1311 I 1 BGB), Testament (§ 2064 BGB).

Beachte (§ 925 I BGB): Bei der Auflassung müssen zwar beide Teile vor dem Notar anwesend sein, Vertretung ist dennoch möglich.

Voraussetzungen (§ 164 I BGB)

Eigene Willenserklärung des Stellvertreters

Im Namen des Vertretenen

Vertretungsmacht des Stellvertreters

 

I. Eigene Willenserklärung

Der Stellvertreter gibt eine eigene Willenserklärung ab.
Abzugrenzen ist der Vertreter insoweit zum Boten, der lediglich eine fremde Willenserklärung überbringt.

Die Abgrenzung zwischen Stellvertreter und Boten erfolgt dabei allein nach dem äußeren Auftreten, wie es für Dritte erkennbar ist. Entscheidend ist dafür, ob aus Sicht des Dritten ein eigener Entscheidungsspielraum des Vertreters besteht. In diesem Fall liegt Stellvertretung und nicht Botenschaft vor.

Bsp.: Die prominente A sagt dem B, er möge für sie in die Buchhandlung des C gehen und das Buch von Rebecca Yarros, Fourth Wing, in der gebundenen Ausgabe kaufen. B möchte gegenüber dem Buchhändler C ein bisschen angeben und sagt: „Die A schickt mich, ich soll für sie ein Buch aussuchen. Sie vertraut meinem Geschmack blind.“ Nach einiger Zeit der scheinbaren Suche kauft B das Buch „Fourth Wing“. B ist Stellvertreter i.S.v. § 164 I BGB, da er gegenüber dem C als Stellvertreter mit Entscheidungsspielraum aufgetreten ist. Dass die A ihn eigentlich nur als Bote einsetzen wollte, ist hierfür irrelevant.

Die klausurrelevanten Unterschiede zwischen Stellvertreter und Boten sind insbesondere folgende:

hinsichtlich des Zeitpunktes des Zugangs geht die einem Empfangsvertreter gegenüber abgegebene Willenserklärung sofort zu, die einem Empfangsboten gegenüber abgegebene Willenserklärung jedoch erst, wenn mit Weitergabe an den Empfänger zu rechnen ist (entscheidend insbesondere, wenn der Empfangsbote außerhalb des Machtbereichs des Empfängers angetroffen wird).
Bsp.: A möchte dem B ein Kaufangebot für einen Lkw machen. Zufällig trifft er am selben Tag gegen Abend die Sekretärin des B im Supermarkt und übermittelt ihr das Angebot. Da die Sekretärin nicht Vertreterin des B, sondern lediglich Empfangsbotin ist, geht das Angebot des A erst am nächsten Tag zu.

der Stellvertreter muss mindestens beschränkt geschäftsfähig sein (§ 165 BGB), als Boten können auch geschäftsunfähige Kinder und Geisteskranke eingesetzt werden

hinsichtlich etwaiger Willensmängel beim Geschäft, die zu einer späteren Anfechtbarkeit führen könnten, kommt es bei der Stellvertretung grundsätzlich auf die Kenntnis des Vertreters an (§ 166 BGB), bei der Botenschaft dagegen auf den Geschäftsherrn selbst

Wichtig: In Klausuren werden Boten nicht nur zur Überbringung, sondern besonders gerne auch zum Empfang von Willenserklärungen eingesetzt (z.B. Sekretärinnen, Kind allein zu Hause statt der Eltern).

Hier ist zu differenzieren: Empfangsbote ist, wer geeignet und bestimmt ist, Erklärungen an den Empfänger zu überbringen. Die Erklärung geht in dem Moment zu, in dem mit der Weiterübermittlung an den Empfänger zu rechnen ist (wichtig für möglicherweise gleichzeitigen Zugang eines Widerrufs, § 130 I 2 BGB).

Das Risiko der Nicht- oder Falschübermittlung trägt allerdings der Empfänger, da er ja die betreffende Person als Empfangsboten eingesetzt hat. Anders dagegen, wenn die vom Erklärenden für die Übermittlung eingesetzte Person hierzu vom Empfänger nicht bestimmt war oder nicht geeignet ist. Dann trägt der Erklärende das Risiko der Falschübermittlung.

Bsp.: A bestellt bei der Sekretärin S des B 700 Schrauben eines bestimmten Typs für seinen Betrieb. S missversteht dies und sagt dem B, der A wolle 7.000 Schrauben. Da die S Empfangsbotin des B ist, ist die Willenserklärung mit dem richtigen Inhalt (700 Schrauben) zugegangen.
Anders dagegen, wenn A nicht bei der S bestellt, sondern zufällig den sechsjährigen Sohn M des B vor der Schule trifft und bei diesem die „Bestellung“ aufgibt. Da der M weder geeignet noch bestimmt ist, solche Erklärungen entgegenzunehmen, ist er Erklärungsbote des A. Sollte die Erklärung daher falsch übermittelt werden, ist sie so wirksam, wie sie von dem M übermittelt wird. Allerdings kann der A die Erklärung anfechten (§ 120 BGB).

II. Handeln in fremdem Namen

Der Vertreter muss gem. § 164 I BGB bei seinem Handeln offenlegen, dass er als Stellvertreter eines anderen handelt, sog. Offenkundigkeitsprinzip. Tut er dies nicht, so wird durch sein Handeln nicht der Vertretene, sondern der Vertreter selbst verpflichtet.

Auch insoweit ist der objektive Empfängerhorizont massgeblich: Konnte der Geschäftspartner nicht erkennen, dass nur eine Stellvertretung gewollt war, so kommt das Geschäft mit dem „Vertreter“ selbst zu Stande.

Bsp.: A ist von B bevollmächtigt worden, in der Galerie des G ein bestimmtes Bild zu kaufen. Während des Kaufes erzählt A dem G jedoch nichts von der Stellvertretung. Der Vertrag kommt nicht mit B, sondern mit A zu Stande.

Dabei muss die Stellvertretung nicht immer ausdrücklich erklärt werden, sondern kann sich auch konkludent aus den Umständen ergeben, § 164 I 2 BGB.

Werden z.B. die Geschäfte in einem Unternehmen nicht vom Inhaber selbst, sondern von Angestellten abgeschlossen, so kommen die Verträge auch ohne eine besondere Offenlegung mit dem Unternehmen und nicht mit dem Angestellten zu Stande.

Bsp.: K ist Kassiererin im Supermarkt S. Die Verträge der Kunden kommen mit dem S zu Stande, ohne dass die Stellvertretung noch besonders erklärt werden muss.

Der vom Wortlaut her schwierig zu verstehende § 164 II BGB hat die Bedeutung, dass im Falle der vom Vertreter nicht offengelegten Stellvertretung der dann mit dem Vertreter selbst zu Stande gekommene Vertrag von diesem auch nicht wegen Irrtums (über die Person des Vertragsschließenden) gem. § 119 I, 1. Alt. BGB angefochten werden kann.

Sonderfall: Geschäft für den, den es angeht

Das Offenkundigkeitsprinzip findet seinen Grund in der Schutzbedürftigkeit des Geschäftspartners: Er muss wissen, mit wem er sein Geschäft abschließt.

Bei Bargeschäften des täglichen Lebens ist die Interessenlage jedoch eine andere. In der Regel wird es dem Vertragspartner egal sein, ob die Person, der er die Sache verkauft, den Vertrag selbst schließt oder als Stellvertreter einer anderen Person handelt. Der Vertrag kommt daher auch dann mit dem Vertretenen zu Stande, wenn die Stellvertretung nicht offengelegt wird (sog. Geschäft für den, den es angeht).

Bsp.: Die A backt für ihre Wohngemeinschaft einen Kuchen. Als sie bemerkt, dass sie zu wenig Butter hat, schickt sie ihren Freund F, im Laden ein Stück Butter zu kaufen und gibt ihm das Geld mit. Obwohl der F im Laden nicht erzählt, dass er als Stellvertreter der A auftritt, kommt der Kaufvertrag über die Butter (§ 433 BGB) mit der A zu Stande.

Dabei ist zu beachten, dass die Grundsätze des Geschäfts für den, den es angeht, nur bei Bargeschäften zur Anwendung kommen. Sobald eine Sache auf Kredit erworben wird oder eine Ratenzahlung vereinbart wird, scheidet eine Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip aus, da es in diesem Fall dem Geschäftspartner auf die Person des Vertragsschließenden ankommen wird.

Das Geschäft für den, den es angeht, wird auch als verdeckte Stellvertretung bezeichnet.

III. Vertretungsmacht
1. Allgemeines

Eine Willenserklärung, die von einem Vertreter abgegeben wird, wirkt nur dann für den Vertretenen, wenn dieser auch Vertretungsmacht hat.

Zu unterscheiden ist dabei zwischen rechtsgeschäftlicher und gesetzlicher Vertretungsmacht.

Die Vertretungsmacht kann sich zum einen bereits unmittelbar aus dem Gesetz ergeben.

Bsp.: Eltern vertreten ihre Kinder gesetzlich, §§ 1626, 1629 BGB. Dagegen haben Ehegatten untereinander grundsätzlich kein gesetzliches Vertretungsrecht, es besteht lediglich nach § 1358 BGB ein Notvertretungsrecht in gesundheitlichen Angelegenheiten.

Die Vertretungsmacht kann aber auch durch Rechtsgeschäft erteilt werden. In diesem Fall spricht man von einer Vollmacht (vgl. die Legaldefinition in § 166 II BGB). Die Vollmacht ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das zu seiner Wirksamkeit nicht der Annahme durch den Bevollmächtigten bedarf.

Wichtig: Die Vollmacht betrifft nur das Außenverhältnis zum Geschäftspartner. Davon zu trennen ist das Rechtsverhältnis, aufgrund dessen die Vollmacht erteilt wird (Innenverhältnis). Dies wird häufig ein Auftragsverhältnis sein, mit dem der Vertretene den Bevollmächtigten mit der Erledigung bestimmter Geschäfte betraut (vgl. § 662 BGB). Auch eine entgeltliche Geschäftsbesorgung kommt in Betracht (§ 675 BGB).

Die Vollmachtserteilung ist abstrakt vom Grundgeschäft, d.h. auch wenn der der Vollmacht zugrunde liegende Auftrag aus irgendwelchen Gründen unwirksam sein sollte, bedeutet dies noch nicht, dass auch die Vollmacht ungültig ist.

Zugleich ist zu beachten, dass Beschränkungen im Innenverhältnis nicht unbedingt auf die Bevollmächtigung durchschlagen. Es ist zwischen dem rechtlichen Können (Außenverhältnis) und dem rechtlichen Dürfen (Innenverhältnis) zu unterscheiden.

Bsp.: A beauftragt den B, ihm einen Gebrauchtwagen bis zu einem Preis von 10.000 Euro zu kaufen und erteilt ihm entsprechende Vollmacht. Er weist dabei den B an, einen möglichst günstigen Wagen zu kaufen. B kauft beim Gebrauchtwagenhändler G einen völlig überteuerten Toyota für exakt 10.000 Euro.
Der Vertrag ist wirksam zwischen A und G zu Stande gekommen, da sich der B im Rahmen seiner im Außenverhältnis bestehenden Vollmacht bewegte. Dass er im Innenverhältnis die Weisung des A verletzte, einen möglichst günstigen Wagen zu kaufen, ist insoweit ohne Belang.
Allerdings macht sich der B im Innenverhältnis zu A unter Umständen schadensersatzpflichtig (§§ 665, 280 I BGB).

Die Unabhängigkeit der Vollmacht vom Grundgeschäft gilt allerdings nicht für den Fortbestand der Vollmacht. Erlischt das Grundverhältnis (z.B. der Auftrag), so erlischt auch die Vollmacht, § 168 S. 1 BGB.

Die Vollmacht ist im übrigen auch jederzeit frei widerruflich, sofern der Widerruf nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde, § 168 S. 2 BGB.

2. Erteilung der Vollmacht
a) Innen- und Außenvollmacht

Eine Vollmacht kann auf mehrere Arten erteilt werden:

Zum einen kann die Vollmacht gegenüber dem zu Bevollmächtigenden erklärt werden, § 167 I, 1. Alt. BGB. Man spricht dann von einer sog. Innenvollmacht. Eine Annahme der Innenvollmacht durch den Bevollmächtigten ist dabei nicht erforderlich, es handelt sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft.
Bsp.: A beauftragt den B mit dem Kauf eines Bildes beim Galeristen G. A hat B damit konkludent wirksam eine Innenvollmacht zum Kauf eines Bildes erklärt.

Zum anderen kann die Vollmachtserklärung auch gegenüber dem Geschäftspartner direkt erfolgen, § 167 I, 2. Alt. Es handelt sich dann um eine Außenvollmacht.
Bsp.: A ruft direkt beim Galeristen G an und erklärt: „Ich schicke Ihnen den B vorbei; er wird für mich das Bild ... kaufen.“ B ist damit durch Außenvollmacht zum Kauf des Bildes bevollmächtigt.

Ein weiterer Weg zur Bevollmächtigung ist die sogenannte „kundgemachte Innenvollmacht“. Dabei erklärt der Vertretene gegenüber einem Dritten, dass er eine bestimmte Person bevollmächtigt habe, § 171 BGB. Im Unterschied zur Außenvollmacht erfolgt die Bevollmächtigung nicht gegenüber dem Geschäftspartner, sie wird diesem aber besonders zur Kenntnis gegeben.

Bsp.: A ruft beim Galeristen G an und erklärt: „Ich wollte Ihnen mitteilen, dass ich den B bevollmächtigt habe, für mich ein Bild bei Ihnen zu kaufen. Er wird in den nächsten Tagen bei Ihnen vorbeikommen.“ Die Bevollmächtigung erfolgt in diesem Fall nicht gegenüber G, sondern gegenüber dem B. Sie wird dem G aber zur Kenntnis gegeben (Kundmachung).

Der Unterschied zur Außenvollmacht wird relevant, wenn die Innenvollmacht aus irgendeinem Grund wegfällt (z.B. Widerruf). Die Vollmacht bleibt dann im Verhältnis zu dem Dritten so lange gültig, bis sie in derselben Weise wie die Kundgabe widerrufen wird. Dies hat seinen Grund darin, dass der Dritte aufgrund der Kundgabe der Vollmacht darauf vertraut, der Bevollmächtigte habe nach wie vor Vollmacht, für den Vertretenen zu handeln.

Gleiches gilt für den klausurrelevanten Fall, dass der Vertretene dem Bevollmächtigten eine Urkunde über die Vollmacht ausgestellt hat und dieser sie bei dem Geschäft vorlegt, § 172 BGB. Es handelt sich insoweit um eine Rechtsscheinhaftung. Der Aussteller der Vollmachtsurkunde hat einen zurechenbaren Rechtsschein gesetzt, auf den Dritte vertrauen dürfen.

Dementsprechend hat der Vollmachtgeber im Falle des Widerrufs der Vollmacht auch einen Anspruch gegen den Bevollmächtigten auf Rückgabe der Vollmachtsurkunde, § 175 BGB.

Merke: Kopien reichen für die Rechtsscheinhaftung nach § 172 BGB selbst dann nicht, wenn sie notariell beglaubigt sind. Es muss tatsächlich das Original der Urkunde oder aber eine notarielle Ausfertigung vorgelegt werden.
Dies hat seinen Grund darin, dass der Vertretene nach Widerruf der Vollmacht den Rechtsschein ja irgendwie wieder beseitigen können muss. Über die vom Bevollmächtigten inzwischen gezogenen Kopien der Vollmachtsurkunde hat er jedoch keine Kontrolle.

b) Form

Die Vollmacht kann formfrei erteilt werden.
Grundsätzlich bedarf die Vollmacht auch nicht der Form des Rechtsgeschäfts, auf das sie sich bezieht, § 167 II BGB.

Bsp.: Student S erteilt seiner Kommilitonin K mündlich Vollmacht, für ihn einen Mietvertrag abzuschließen. Obwohl Mietverträge eigentlich der Schriftform bedürfen (§ 550 BGB), gilt dies nicht für die Vollmacht.

Ausnahmsweise kann aber auch einmal die Vollmacht der Form des Rechtsgeschäfts bedürfen, das mit ihr vorgenommen werden soll. Dies ist insbesondere der Fall bei risikobehafteten Geschäften, bei denen sich der Bevollmächtigende durch die Abgabe der Vollmacht bereits so stark bindet, als ob er bereits das Geschäft selbst vornehmen würde. § 167 II BGB wird für diesen Fall einschränkend ausgelegt (sog. teleologische Reduktion).

Bsp.: Die unwiderrufliche Vollmacht zum Erwerb eines Grundstücks bedarf wie der spätere Kaufvertrag gemäß § 311b BGB der notariellen Beurkundung.

Beachte: Von „teleologischer Reduktion“ spricht man, wenn der Wortlaut einer Norm zu weit geraten ist, d.h. auch Fälle erfasst, die von ihrem Sinn nach nicht unter die Vorschrift fallen sollen (das Wort „teleologisch“ leitet sich vom altgriechischen Wort telos (=Ziel) her – die Norm ist also sozusagen „über das Ziel hinausgeschossen“ und wird nun entsprechend „reduziert“).

3. Umfang

Der Umfang der Vollmacht bestimmt sich nach der Vertretungsmacht, die der Vollmachtgeber dem Bevollmächtigten eingeräumt hat.

Bsp.: A bevollmächtigt B zum Kauf eines Gebrauchtwagens. Kauft B darüber hinaus noch einige Zubehörteile, so ist dies nicht mehr von seiner Vollmacht gedeckt, er handelt insoweit als Vertreter ohne Vertretungsmacht, §§ 177 ff. BGB.

Man unterscheidet verschiedene Arten der Vollmacht:

jemand wird zum Abschluss eines bestimmten Geschäftes bevollmächtigt (sog. Spezialvollmacht)

jemand wird umfassend für Rechtshandlung aller Art bevollmächtigt (sog. Generalvollmacht)

mehrere Personen werden in der Weise bevollmächtigt, dass sie die Bevollmächtigung nur gemeinsam wahrnehmen können (sog. Gesamtvertretung)

Einen Sonderfall der Stellvertretung bietet die Prokura. Sie wird durch Rechtsgeschäft erteilt, ihr Umfang ist aber gesetzlich in den §§ 48 ff. HGB bestimmt.

4. Missbrauch der Vertretungsmacht

Von den Fällen, in denen der Vertreter seine Vertretungsmacht überschreitet, sind die Fälle zu unterscheiden, in denen der Vertreter sich zwar im Außenverhältnis im Rahmen der ihm erteilten Vollmacht hält, er sich aber nicht an die ihm im Innenverhältnis erteilten Weisungen hält.

Bsp.: A ermächtigt den B gegenüber dem Galeristen G, für ihn Bilder aller Art zu kaufen. Intern erteilt er ihm die Weisung, in nächster Zeit nur Bilder von Impressionisten zu kaufen. B, der auf modernere Kunst steht, kauft stattdessen im Namen des A einen Jackson Pollock.

Es ist dem Vertreter in diesem Fall möglich, den Auftraggeber im Außenverhältnis wirksam zu verpflichten, obwohl er gegen die ihm erteilten Weisungen verstößt, denn sein Handeln war von seiner Vollmacht gedeckt. Dabei lässt sein Verstoß gegen die Weisungen seines Auftraggebers die Wirksamkeit seiner Vollmacht im Außenverhältnis unberührt, da dies lediglich eine Frage des Innenverhältnisses zu seinem Auftraggeber ist. Der Missbrauch der Vertretungsmacht geht somit zu Lasten des Vertretenen.

Eine Ausnahme hiervon ist allerdings zu machen, wenn der Vertreter und der Geschäftspartner bewusst zum Nachteil des Vertretenen zusammenarbeiten (sog. Kollusion).

Bsp.: Im obigen Beispielsfall hat B dem G vom Wunsch des A erzählt, nur Impressionisten zu erwerben. B und G schließen trotzdem den Kaufvertrag über den Jackson Pollock, da sich dieser im Moment sonst schwer verkaufen lässt.
Das Geschäft ist in diesem Fall wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 I BGB nichtig.

Gleiches gilt, wenn für den Geschäftspartner evident ist, dass der Vertreter seine Befugnisse im Innenverhältnis überschreitet.

Bsp.: Im obigen Fall hat B dem G zwar nichts von der Weisung des A erzählt. G kennt jedoch die Kunstsammlung des A und weiß, dass ein Pollock nicht in diese Sammlung passen würde und auch in keiner Weise dem Kunstgeschmack des A entspricht, da sich dieser erst kürzlich sehr negativ über Pollock geäußert hat.

Es gelten in diesem Fall die §§ 177 ff. BGB analog (analog, da ja eigentlich Vertretungsmacht besteht). Der Vertretene kann also das Geschäft durch Genehmigung an sich ziehen, ansonsten haftet der Vertreter nach § 179 BGB.

Anscheinsvollmacht

…aber wissen können. Es ist ihm somit ein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen, der dazu führt, dass er sich so behandeln lassen muss, als hätte er tatsächlich eine Vollmacht erteilt.

Bsp.: Im obigen Fall hat die A schon mehrfach bei dem J „für B“ Juwelen gekauft, seit sie mit ihm verheiratet ist. Nun hat es ihr der B verboten. Sie war jedoch vorher schon zweimal mit Millionären verheiratet und ist von beiden aufgrund ihrer hemmungslosen Verschwendungssucht wieder geschieden worden, was B auch weiß. Zudem war der B mit der A am Tag zuvor im Geschäft des J und hat sich dort Schmuck zeigen lassen, von dem A ganz begeistert war. Angesichts dieser Lage war es von B fahrlässig, der A zu vertrauen, sie würde ihre Einkäufe einstellen. Er hätte dem J sagen müssen, dass er weitere Schmuckkäufe der A nicht dulde.

Voraussetzungen der Anscheinsvollmacht sind somit:

jemand tritt wiederholt für einen anderen auf (der BGH spricht von einer „gewissen Häufigkeit oder Dauer“ des Auftretens)

der andere weiß davon zwar nichts, hätte es aber wissen können

der Geschäftspartner darf daraus nach Treu und Glauben den Schluss ziehen, dass im Innenverhältnis eine Bevollmächtigung vorliegt

Die Rechtsfolgen der Anscheinsvollmacht sind umstritten. Nach h.M. muss sich der „Vertretene“ so behandeln lassen, als hätte er den Vertreter wirksam bevollmächtigt. Nach anderer Auffassung haftet der „Vertretene“ lediglich auf Schadensersatz gem. §§ 241 II, 311 II BGB, da ansonsten durch reine Fahrlässigkeit ein Vertrag zu Stande komme, was es sonst nirgendwo im BGB gebe.

Letztlich ist der h.M. aber der Vorzug zu geben, da sich im Falle eines Fehlens einer wirksamen Bevollmächtigung die Kenntnis des Vertretenen vom Vertreterhandeln selten nachweisen lässt und die Anscheinsvollmacht somit Beweisschwierigkeiten vorbeugt.

Wichtig: In der Klausur sollten Duldungs- und Anscheinsvollmacht erst behandelt werden, wenn eine ausdrückliche oder konkludente Vollmachtserteilung zuvor abgelehnt wurde.

Einen wichtigen Fall der gesetzlichen Rechtsscheinsvollmacht stellt daneben § 56 HGB dar. Danach gilt, wer in einem Laden oder Warenlager angestellt ist, zu allen Verkäufen und Warenannahmen bevollmächtigt, die dort gewöhnlich geschehen.

V. Vertreter ohne Vertretungsmacht

Schließt jemand für einen anderen einen Vertrag, ohne die dafür erforderliche Vertretungsmacht zu besitzen, und greift auch kein Rechtsscheinstatbestand ein, so handelt er als Vertreter ohne Vertretungsmacht.

Der von ihm geschlossene Vertrag ist gem. § 177 I BGB schwebend unwirksam. Der „Vertretene“ kann den Vertrag im Nachhinein genehmigen, die Rechtsfolgen sind dann dieselben, als ob der Vertreter von vornherein Vertretungsmacht gehabt hätte.

Wird der Vertrag nicht genehmigt, haftet der Vertreter ohne Vertretungsmacht nach § 179 I BGB nach Wahl des Geschäftspartners entweder selbst auf Erfüllung oder auf Schadensersatz.

Wichtig: Der Vertreter wird nur behandelt, als ob er Vertragspartner geworden ist. Ein tatsächlicher Vertrag kommt mit dem Vertreter aber nicht zu Stande. Anspruchsgrundlage in der Klausur ist also nicht der Vertrag (z.B. § 433 II BGB), sondern direkt § 179 I BGB.

Hat der Vertreter allerdings selbst von dem Mangel der Vertretungsmacht nichts gewusst, haftet er gem. § 179 II BGB nur auf den Vertrauensschaden. Hat der andere Teil vom Mangel der Vertretungsmacht gewusst, haftet der Vertreter gar nicht, § 179 III 1 BGB.

Auch der Minderjährige, der nach § 165 grundsätzlich Vertreter sein kann (da er ja für einen anderen handelt, sind seine Geschäfte für ihn selbst nie rechtlich nachteilig), haftet als Vertreter ohne Vertretungsmacht nicht, § 179 III 2 BGB.

Sonderfall: gebrauchte Innenvollmacht – Anfechtung

Bsp.: Firmenchef A möchte seinen Mitarbeiter B bevollmächtigen, für ihn in seiner Abwesenheit Geschäfte bis zur Höhe von 10.000 Euro zu tätigen. Er verschreibt sich aber und stellt dem B eine Vollmacht in Höhe von 100.000 Euro aus. Als B im Urlaub des A bei dem Fahrzeughändler F einen Lkw zum Preis von 50.000 Euro kauft, bemerkt A nach seiner Rückkehr seinen Irrtum und fechtet die Vollmacht an.

Problematisch ist, dass durch die Anfechtung der Vollmacht durch A gem. § 119 I, 1. Alt. BGB der B im nachhinein als Vertreter ohne Vertretungsmacht i.S.v. § 179 BGB dasteht, da die Anfechtung die Vollmacht von Anfang an nichtig macht (sog. ex-tunc-Wirkung der Anfechtung, § 142 I BGB). Er müsste also dem F nach § 179 II BGB auf dessen Vertrauensschaden haften (z.B. für die Kosten des Vertragsabschlusses).

Gleichzeitig haftet aber wegen der Anfechtung auch der A dem B nach § 122 I BGB auf dessen Vertrauensschaden. F könnte also von B Schadensersatz fordern und B wiederum von A.

Somit muss zwar A letztlich den durch seinen Irrtum entstandenen Schaden tragen, was wirtschaftlich gerecht ist. Problematisch wird die Abwicklung aber dann, wenn der B dem F keinen Schadensersatz zahlen kann, weil er insolvent ist. F müsste dann das Insolvenzrisiko des B tragen, was als unbillig empfunden wird.

Die h.M. lässt daher hier ausnahmsweise einen direkten Anspruch des F gegen A aus § 122 I BGB analog zu. Auf diese Weise trägt der A das Insolvenzrisiko des B, was gerechter ist, da der Schaden ja letztlich auch durch den Irrtum des A verursacht wurde. Umstritten ist, gegenüber wem der A in diesem Fall anfechten muss.

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Ein Teil der Literatur lässt bei der gebrauchten Innenvollmacht die direkte Anfechtung gegenüber dem Geschäftsgegner zu.

Gleiches gilt bei der kundgemachten Innenvollmacht gem. § 171 BGB, wobei hier die Rechtsnatur der Kundmachung problematisiert werden muss. Die Kundmachung ist keine Willenserklärung, sondern lediglich eine sog. rechtsgeschäftsähnliche Handlung, daher können die Regeln über die Anfechtung (§§ 119 ff. BGB) auf sie höchstens analog angewendet werden.

VI. Insichgeschäft (§ 181 BGB)

Nach § 181 BGB kann der Vertreter im Namen des Vertretenen weder mit sich selbst Geschäfte machen (Selbstkontrahieren), noch mit einem Dritten, wenn er gleichzeitig als Vertreter des Dritten handelt (Mehrvertretung). Dadurch sollen Interessenkonflikte zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen verhindert werden.

Bsp.: Der Chef C ist in Urlaub. Sein Angestellter A mit Generalvollmacht nutzt diese Gelegenheit, um sich als erstes den Firmenwagen des Chefs zu einem äußerst günstigen Preis selbst zu verkaufen. Das Geschäft ist gem. § 181 BGB schwebend unwirksam und hängt von der (unwahrscheinlichen) Genehmigung des C nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub ab.

Ausnahmen vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB):

Der Vertreter ist ausdrücklich befreit („ein anderes gestattet“).
Praxis: In vielen GmbH-Verträgen ist der Geschäftsführer von § 181 BGB befreit.

Der Vertreter handelt zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit.
Bsp.: A erstattet sich in Abwesenheit des C eigene, tatsächlich entstandene Fahrtkosten aus der Firmenkasse.

Das Geschäft bringt dem Vertretenen lediglich einen rechtlichen Vorteil (teleologische Reduktion).
Bsp.: Eltern E schenken ihrem minderjährigen Kind K ein Aktiendepot (30.000 €). Keine Interessenkollision.

Dabei ist zu beachten, dass im klausurhäufigsten Fall dieser Ausnahme (Schenkung von Eltern an Kinder) § 181 BGB streng genommen nur über die Verweisung in §§ 1629 II, 1824 II BGB gilt.

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Wichtig: Problematisch kann die Schenkung eines Grundstücks an Minderjährige werden. Belastungen (Grundsteuer) für sich noch kein Nachteil; nachteilhaft können aber z.B. Mietverhältnisse (§ 535 I 2 BGB), Pflichten aus dem WEG (HAbersack Nr. 37) oder andere Klauseln sein. Wirtschaftlicher Vorteil hilft nicht: Eltern können wegen § 181 BGB nicht wirksam vertreten (→ Ergänzungspfleger, § 1809 BGB).

Rechtsfolge des § 181 BGB: schwebende Unwirksamkeit; Genehmigung nach §§ 177 ff. BGB möglich.

D. Scheingeschäft, geheimer Vorbehalt, mangelnde Ernstlichkeit

Ein geheimer Vorbehalt, das in einer Willenserklärung Gesagte nicht wirklich zu wollen, macht die Erklärung nicht unwirksam (§ 116 S. 1 BGB).

Bsp.: A erklärt die Verlobung mit B, um seine sterbenskranke Mutter zu beruhigen. Erklärung wirksam (Rechtsfolgen §§ 1297 ff. BGB), anders wenn B den Vorbehalt kennt (§ 116 S. 2 BGB).

Wird eine Willenserklärung nur zum Schein mit Einverständnis des anderen abgegeben, ist sie unwirksam (§ 117 I BGB, „Scheingeschäft“).

Bsp.: A und B schließen zum Schein einen Mietvertrag, damit B Mietzuschuss erhält.

Beachte: Anders als § 116 S. 2 BGB: Hier beide arbeiten einverständlich zusammen.

Kein Scheingeschäft, wenn die Parteien die Wirksamkeit wirklich wollen, auch zu atypischen Zwecken.

Bsp.: A ersteigert als Strohmann für B ein Gemälde.

Wird durch das Scheingeschäft ein anderes Geschäft verdeckt, gelten die Regeln des verdeckten Geschäfts (§ 117 II BGB).

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Tipp: Relevanz v.a. beim Grundstückskauf, wenn der Kaufpreis zu niedrig beurkundet wird (Grunderwerbsteuer).

Eine Scherzerklärung ist unwirksam, wenn der Empfänger den Scherz erkennen konnte (§ 118 BGB).

E. Anfechtung
I. Allgemeines

Durch die Anfechtung wird ein Rechtsgeschäft rückwirkend (ex tunc) vernichtet (§ 142 I BGB).
Die Anfechtungsgründe sind abschließend im Gesetz geregelt.

Wichtig: Anfechtung = rechtsvernichtende Einrede → im Prüfungspunkt „Anspruch weggefallen“ (ausgehend von § 142 I BGB).
Es gibt keinen „Anspruch aus Anfechtung (§ 119 I BGB)“. Rückabwicklung über § 812 I 1 (a.M.: S. 2), 1. Alt BGB („ohne Rechtsgrund“).

Voraussetzungen der wirksamen Anfechtung:

Anfechtungserklärung (§ 143 I BGB)

Anfechtungsgrund (s.u.)

Frist (§§ 121 bzw. 124 BGB)

II. Anfechtungsgründe
1. Irrtumsanfechtung

Klausurrelevantester Fall (§ 119 BGB):

Inhaltsirrtum (§ 119 I, 1. Alt BGB)

Erklärungsirrtum (§ 119 I, 2. Alt BGB)

Eigenschaftsirrtum (§ 119 II BGB)

Inhaltsirrtum (§ 119 I, 1. Alt): Erklärender erklärt das Gewollte, irrt aber über dessen Bedeutung.

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Bsp.: W bietet „veganes Essen“ an; A versteht „vegan“ fälschlich als „vegetarisch“.

Erklärungsirrtum (§ 119 I, 2. Alt): Gewolltes und Erklärtes stimmen nicht überein (verschrieben, vergriffen etc.).

Bsp.: A will 7.000 Schrauben bestellen, tippt versehentlich 700.000.

In beiden Fällen: Anfechtung möglich – er hat nicht das erklärt, was er wollte.

Aber: Auslegung vor Anfechtung. Zuerst prüfen, wie ein verständiger Empfänger die Erklärung verstehen durfte (§§ 133, 157 BGB).

Bsp.: Vorabankündigung von 7.000 Stück + offensichtliche Unmöglichkeit von 700.000 → Auslegung auf 7.000.

Zudem: Der Erklärende ist an das tatsächlich Gewollte gebunden.

Bsp.: B erklärt sich zur Lieferung von 7.000 bereit → A kommt hiervon nicht los.

2. Eigenschaftsirrtum (§ 119 II BGB)

Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften einer Person/Sache.
Eigenschaften = wertbildende Faktoren (nicht der Wert selbst).

Bsp.: Flohmarkt-Handschriften, eine ist ein Bach-Autograph → A ficht an.

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Achtung (Kaufrecht): Wenn das Fehlen der Eigenschaft zugleich Mangel i.S.d. §§ 434 ff. BGB ist, sind Mängelrechte vorrangig → Anfechtung grds. ausgeschlossen (Ausnahme h.M.: vor Gefahrübergang).

Im Beispiel egal, da Verkäufer anfechtet und sich nicht seiner Gewährleistung entziehen will (Sache ist wertvoller als gedacht).

3. Falschübermittlung (§ 120 BGB)

Anfechtung, wenn eine Erklärung durch eigenen Erklärungsboten falsch übermittelt wird.

Bsp.: S bestellt statt 7.000 versehentlich 700.000 Schrauben → A kann nach § 120 BGB anfechten.

Wichtig:

§ 120 betrifft nur Erklärungsboten des Erklärenden. Fehler des Empfangsboten trägt der Empfänger (der ggf. seine Annahme nach § 120 anfechten muss).

Nicht erfasst: falsch erklärender Vertreter → dieser kann nach § 119 I anfechten.

Unbewusst falsch übermittelt; bei bewusst falscher Übermittlung gelten §§ 177 ff. analog.

Bsp.: S sabotiert und bestellt bewusst zu viel → A muss nicht anfechten; § 177 I analog (Genehmigung). Sonst S haftet nach § 179 I analog.

4. Anfechtung wegen Täuschung (§ 123 I BGB)

Arglistige Täuschung → Anfechtung, wenn WE sonst nicht abgegeben worden wäre.

Seite 36
Täuschung: Einwirkung auf das Vorstellungsbild zur Hervorrufung einer Fehlvorstellung über Tatsachen.
Bei Unterlassen: Aufklärungspflicht (z.B. § 242 BGB).
Arglist: Vorsatz genügt; bedingter Vorsatz reicht („ins Blaue hinein“).

Bsp.: Verkauf eines evtl. Unfallwagens ohne Hinweis → Anfechtung durch Käufer, Aufklärungspflicht des Verkäufers.

Neben kaufrechtlicher Gewährleistung: § 123 I zusätzlich anwendbar (der Arglistige soll nicht privilegiert werden).

Einschränkung (Dritt-Täuschung, § 123 II 1 BGB): Anfechtbar nur, wenn Empfänger die Täuschung kannte oder kennen musste.

Reduktion „Dritter“: Angestellte des Empfängers sind keine Dritten i.S.d. § 123 II 1 BGB.

Bsp.: Täuschung durch Verkäufer V des A → A kann sich nicht rausreden.

Kein Anfechtungsrecht, wenn die Täuschung nicht rechtswidrig war.

Bsp.: Unzulässige Frage nach Verhütung im Bewerbungsgespräch → erlaubte Lüge; keine Anfechtung nach § 123 I BGB.

 

5. Drohung

Als Drohung bezeichnet man das ausdrückliche oder konkludente Inaussichtstellen eines Übels, auf dessen Eintritt der Drohende Einfluss zu haben vorgibt.
Dabei muss auch die Drohung widerrechtlich sein, d.h. Mittel und Zweck müssen außer Relation zueinander stehen.

Bsp.: F, die mit ihrem Chef C eine Affäre hat, nötigt diesen zu einer Gehaltserhöhung mit der Drohung, sonst seiner Frau von der Affäre zu erzählen.

Gegenbeispiel: A und B haben einen Autounfall, bei dem der B eindeutig schuld ist. A nötigt B zur Unterschrift unter ein Unfallschuldanerkenntnis mit der Drohung, sonst die Polizei zu rufen. Keine Widerrechtlichkeit der Drohung (legitimes Mittel).

6. Weitere Irrtumsfälle
a) Motivirrtum

Der bloße Motivirrtum ist immer unbeachtlich und berechtigt nicht zur Anfechtung.
Bsp.: V bestellt für die Hochzeit seiner Tochter T eine Torte; die Hochzeit platzt. Kein Anfechtungsrecht – das Hochzeitsmotiv liegt im Verwendungsrisiko des V.

b) Kalkulationsirrtum

Irrtum über Umstände der Preisberechnung. Man unterscheidet:

Verdeckter Kalkulationsirrtum: Kalkulation wird nicht offen gelegt; der Irrtum ist für den Empfänger i.d.R. nicht erkennbar.
Bsp.: M verkauft Oboen-Mundstücke à 1,20 €; verlangt für 10 Stück irrtümlich 9,60 €.

→ Keine Anfechtung: Irrtum betrifft Willensbildung, nicht die Erklärung.

Offener Kalkulationsirrtum: Rechenfehler ist offensichtlich.
Bsp.: „10 × 1,20 € macht 9,60 €.“

→ Grundsätzlich keine Anfechtung; Auslegung vor Anfechtung: Erkennbar sind 12 € gemeint.
→ Ist die Erklärung derart widersprüchlich, dass der Wille nicht erkennbar ist, gilt nichts als erklärt (Perplexität).

III. Anfechtungserklärung

Die Anfechtung muss gegenüber dem Anfechtungsgegner erklärt werden, § 143 I BGB (bei Verträgen i.d.R. der Vertragspartner, § 143 II BGB).

Wichtig: Die Erklärung muss nicht das Wort „Anfechtung“ enthalten. In Klausuren oft Formulierungen wie „…will vom Vertrag nichts mehr wissen“. Dann nach §§ 133, 157 BGB auslegen.

Anfechtung ist häufig alternativ neben anderen Gestaltungen (z.B. Rücktritt §§ 346 ff. BGB) zu prüfen – auch wenn ausschließende Alternativen.
Ist die Anfechtung im Sachverhalt noch nicht erklärt: Beim Punkt Anfechtungserklärung vermerken, dass der Anspruchsteller sie noch erklären muss (§ 143 I BGB).

IV. Anfechtungsfrist

§§ 119, 120 BGB: Unverzüglich anfechten (§ 121 BGB).

§ 123 BGB (Täuschung/Drohung): Ein Jahr ab Kenntnis bzw. Wegfall der Zwangslage (§ 124 BGB).

Ausschluss: Bestätigung des Rechtsgeschäfts nachträglich → § 144 BGB.

V. Rechtsfolgen der Anfechtung
1. Nichtigkeit ex tunc

Wirksame Anfechtung → Rechtsgeschäft von Anfang an nichtig (§ 142 I BGB).
Ausnahme: Bereits vollzogene Gesellschafts-/Arbeitsverträge → ex nunc (nur für die Zukunft).

Rückabwicklung: Grundsätzlich nach §§ 812 ff. BGB („ohne Rechtsgrund“ prüfen).
Streit, ob § 812 I 2, 1. Alt. (späterer Wegfall) oder § 812 I 1, 1. Alt. (rückwirkend) – egal, Rechtsfolgen gleich.

Abstraktionsprinzip beachten:

Anfechtung schuldrechtlich ≠ automatisch Anfechtung dinglich.

Bsp.: A kauft Pkw; ficht den Kaufvertrag (§ 119 II) an. Übereignung (§ 929 S.1) bleibt wirksam → A muss Eigentum rückübertragen.

Umgekehrt möglich: Nur dingliche Anfechtung, nicht der Kaufvertrag.

Bsp.: J verwechselt Kette; kann Übereignung wegen Erklärungsirrtum (§ 119 I, 2. Alt.) anfechten; Kaufvertrag über die gewollte Kette bleibt bestehen.

Besonderheit § 123 BGB (Täuschung/Drohung): Nichtigkeit des schuldrechtlichen Geschäfts schlägt regelmäßig auf das dingliche Geschäft durch → zusätzlich § 985 BGB neben § 812.

Bsp.: Drohung zum Pkw-Verkauf → Anfechtung Kaufvertrag und Übereignung; Herausgabe nach § 812 und § 985.

2. Schadensersatz (§ 122 BGB)

Anfechtungsgegner kann Vertrauensschaden (negatives Interesse) verlangen, § 122 I BGB.
Kein Ersatz des Erfüllungsschadens (positives Interesse).

Bsp.: 700.000 statt 7.000 Schrauben geliefert; nach § 119 I, 2. Alt. Anfechtung → B bekommt Verpackungskosten, nicht entgangenen Gewinn.

Keine § 122-Ansprüche bei Anfechtung nach § 123 I BGB (Täuschung/Drohung).

Seite 41 – Lerneinheit 4 (Übersicht)

Verstoß gegen gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) und Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB), Formvorschriften im BGB, Rechtsfolgen von Formverstößen (§§ 125 ff. BGB), AGB (§§ 305 ff. BGB), AGB-Prüfung & kollidierende AGB, Vertragsschluss bei Online-Auktionen, Überblick Verjährung (§§ 194 ff. BGB)

F. Gesetzliches Verbot und Sittenwidrigkeit

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig (§ 134 BGB).

Unterscheide:

Gesetz richtet sich nur gegen äußere Umstände → Wirksamkeit bleibt.
Bsp.: Verkauf von Lebensmitteln entgegen Ladenschluss (nur äußere Umstände).

Gesetz richtet sich gegen den Inhalt des Geschäfts → Nichtigkeit.
Gegenbeispiel: Kokainverkauf (BtMG verhindert das Geschäft selbst).

Wichtig (klausurrelevant): „Schwarzgeld-Abrede“ (Steuerhinterziehung = Verbotsgesetz i.S.v. § 134). Nach Ablehnung vertraglicher Ansprüche oft GoA/Bereicherung prüfen; h.M.: weder Vergütung noch Gewährleistung (§ 817 S. 2 BGB beachten).

Sittenwidrigkeit (§ 138 I BGB): Nichtig sind auch sittenwidrige Rechtsgeschäfte.
Definition: Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden.

Beispiele: Kauf einer Doktorarbeit, Prostitutions-Vertrag (trotz ProstG u.U. Entgeltanspruch), Schmiergeld (soweit nicht § 134), Enterbung wegen Religionsübertritt (z.B. Islam), Bürgschaft mittelloser Angehöriger, „Schenkkreis“/Schneeballsystem.

Beachte (Wucher): § 138 II ist vorrangig, verlangt aber Vorsatz („Ausbeutung…“). Da schwer nachweisbar, Praxis oft über § 138 I; § 138 II kurz anprüfen, ggf. mit Hinweis auf fehlendes subjektives Element ablehnen.

Tipp: § 138 über Fallgruppen lernen (Ehegattenbürgschaft, verläng. Eigentumsvorbehalt vs. Sicherungszession, Übersicherung).
Verfassungskonforme Auslegung bedenken (z.B. Religionsfreiheit Art. 4 GG bei Enterbung).

Abstraktionsprinzip: Sittenwidrigkeit schlägt normalerweise nicht automatisch auf das dingliche Geschäft durch; Ausnahme, wenn Umstände es erfordern (bei § 138 II regelmäßig für Verfügungen des Opfers).

G. Formvorschriften (§ 125 ff. BGB)
I. Allgemeines

Grundsatz: Formfreiheit, es sei denn, das Gesetz schreibt Form vor.

Funktionen:

Beweisfunktion (Rechtsklarheit/-sicherheit) – z.B. § 550 BGB (Mietverträge > 1 Jahr: Schriftform).

Warnfunktion (Schutz vor Übereilung) – z.B. Bürgschaft § 766 BGB (außer Kaufleute, vgl. § 350 HGB).

Beratungsfunktion (Notarberatung) – z.B. Grundstückskauf § 311b I BGB.

Formarten:

Schriftform (§ 126 I): eigenhändige Unterschrift; keine Scans/Stempel.
Bsp.: Kündigung Arbeitsvertrag (§ 623 BGB)

Notarielle Beurkundung (§§ 127a, 128): i.d.R. beide Erklärungen.
Bsp.: Grundstückskauf (§ 311b I)
Gerichtlicher Vergleich ersetzt Beurkundung (§ 127a).
Bsp.: Auflassung in Scheidungsvergleich.

Notarielle Beglaubigung (§ 129): Bestätigung der Unterschrift, nicht des Inhalts.

Textform (§ 126b): ohne Unterschrift; z.B. per E-Mail.
Bsp.: Widerrufsbelehrung (§ 356 III i.V.m. Art. 246a § 1 II 2 EGBGB)

Elektronische Form (§ 126a): mit qualifizierter elektronischer Signatur; praktische Bedeutung gering; kann Schriftform ersetzen (§ 126 III).

II. Rechtsfolgen des Formverstoßes

Grundsätzlich: Nichtigkeit (§ 125 S. 1 BGB).
Wichtig: In Klausuren zusätzlich zu Spezialnorm (z.B. § 311b I) § 125 S. 1 zitieren!

Ausnahmen/Heilungen:

§ 550 BGB: Formmangel → Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen.

Heilung durch Erfüllung: z.B. Schenkungsversprechen, § 518 II BGB.

Sonderfall Grundstückskauf (Scheinkaufpreis/Heilung):

Fall: V und K vereinbaren 120.000 €, beurkunden bewusst 100.000 € (Gebühren/GrESt sparen). K wird ins Grundbuch eingetragen.

Lösung:

Scheingeschäft (100.000 €) → nichtig (§ 117 I).
Verdecktes Geschäft (120.000 €) → Regeln des verdeckten Geschäfts (§ 117 II) → hätte notariell beurkundet werden müssen (§§ 311b I 1, 125 S.1) → Formmangel.

Heilung: § 311b I 2 BGB – mit Grundbucheintragung wird der formmangelhafte Vertrag gültig.
→ Kaufvertrag über 120.000 € ist wirksam.

Beachte: Heilung nach § 311b I 2 ohne Rückwirkung.
Vormerkung (§ 883 I BGB): schützt bis zur Eintragung nicht, wenn der Kaufvertrag wegen Formmangels (vor Heilung) nichtig war (keine akzessorische Forderung vorhanden).

 

H. Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)
I. Allgemeines

Häufig versucht eine Vertragspartei, die andere durch Einbeziehung von AGB („Kleingedrucktes“) zu übervorteilen. Die §§ 305 ff. BGB enthalten spezielle Regelungen zu Wirksamkeitserfordernissen von AGB.

Definition (§ 305 I BGB):
AGB sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen bei Vertragsschluss stellt.

Beachte (Ausnahmen/Modifikationen):

Keine Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf Verträge des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts (§ 310 IV S. 1 BGB).

Bei Arbeitsverträgen: Rücksicht auf Besonderheiten des Arbeitsrechts (§ 310 IV S. 2 BGB).

Gegenüber Unternehmern finden bestimmte Vorschriften keine Anwendung (§ 310 I BGB) – Gedanke: Unternehmer sind gewandter, weniger gefährdet als Verbraucher.

II. Wirksamkeitsvoraussetzungen

Voraussetzung ist die wirksame Einbeziehung in den Vertrag. § 305 II BGB verlangt (bei Vertragsschluss):

Deutlicher Hinweis auf die AGB,

Zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme,

Einverständnis mit der Geltung der AGB.

Zusätzlich werden überraschende Klauseln (§ 305c I BGB) nicht Vertragsbestandteil.

Auslegung:

Vorrang der Individualabrede (§ 305b BGB).
Bsp.: Abweichende Zahlungsfrist im Gespräch → diese gilt.

Unklarheitenregel: Unklare AGB zugunsten des Kunden (§ 305c II BGB).

III. Inhaltskontrolle

Auch wirksam einbezogene AGB-Klauseln unterliegen der Inhaltskontrolle (§§ 307–309 BGB):

§ 307 BGB: Generalklausel,

§§ 308, 309 BGB: spezielle Klauselverbote.

Wichtig (Klausur): Erst §§ 308, 309, dann § 307 prüfen (Ausnahme: gegenüber Unternehmern → §§ 308, 309 gem. § 310 I nicht prüfen).

Beispiel: Verkürzung der Mängelverjährung auf 6 Monate → unwirksam gem. § 309 Nr. 8 b) ff) BGB.

Greift kein spezielles Verbot (oder Vertragspartner ist Unternehmer), prüfe § 307 BGB (unangemessene Benachteiligung, Abweichen von wesentlichen Grundgedanken).

Beispiel: Bürgschafts-AGB, Haftung auch für künftige unbestimmte Darlehen/Kontokorrent → unwirksam nach §§ 307 I, II Nr. 1 BGB (Abweichen von § 767 I 3 BGB) und zudem überraschend (§ 305c BGB).

IV. Rechtsfolgen der Unwirksamkeit einer Klausel

Keine geltungserhaltende Reduktion (nicht „gerade-noch-gültig“ auslegen).

Rechtsfolge: Unwirksame Klausel fällt weg; gesetzliche Regelung tritt ein (§ 306 II BGB).

Vertrag im Übrigen bleibt wirksam (§ 306 I BGB).

Beispiel (Übersicherung/Globalzession): Freigabe erst ab 500 % → nichtig (§ 307 I). Reduktion auf 120 % käme einer risikolosen Verwendung unzulässiger Klauseln gleich → unzulässig.

V. Sonderproblem: Sich widersprechende AGB

Sachverhalt: Beide Seiten verwenden AGB, die sich widersprechen (Battle of Forms).

Kein Dissens nach §§ 154, 155 BGB (Parteien wollen den Vertrag durchführen).

Frühere Ansicht (Theorie des letzten Wortes): Letzte AGB gelten via § 150 II BGB → abgelehnt (Zufall/„Wettlauf“).

Heute h.M.: Widersprechende Klauseln heben sich gegenseitig auf; es gilt dispositives Recht analog § 306 II BGB; Vertrag bleibt wirksam (§ 306 I BGB).

Besonderheit Eigentumsvorbehalt des Verkäufers:

Dingliche Übereignung (§ 929 S. 1 BGB) erfordert „Einigsein bei Übergabe“.

Einseitiger Eigentumsvorbehalt auf Lieferschein kann sich durchsetzen: Annahme der Ware = konkludente Zustimmung.

Will der Käufer keinen Eigentumsvorbehalt, muss er die Ware zurückschicken und unbedingte Übereignung verlangen.

VI. Sonderproblem: Vertragsschluss auf eBay.de und die AGB der eBay-AG

Examensrelevant. Grundsätze:

eBay-Angebot = verbindliches Angebot i.S.v. § 145 BGB ad incertas personas (nicht bloße invitatio).

Vertragsschluss mit Höchstbietendem bei Auktionsende – Bindung auch bei Unterwertverkauf; auch bei vorzeitigem Abbruch (Ausnahmen: berechtigter Abbruch; Beweislast Verkäufer).

§ 156 BGB (Zuschlag) nicht anwendbar; Vertrag durch Angebot/Annahme (Ablauf der Zeit).

Widerrufsrecht bei Verbraucherkauf von Unternehmer (§§ 312g I, 355; Fernabsatz § 312c I). Ausnahme § 312g II Nr. 10 (Versteigerungen) greift nicht.

eBay-AGB gelten nicht automatisch zwischen Käufer/Verkäufer; dienen als Auslegungshilfe (§§ 133, 157 BGB).

Willenserklärungen werden mit Eingang bei eBay wirksam (eBay als Empfangsvertreter § 164 III BGB).

Scheinangebote/Selbstdrehen (anderer Account des Verkäufers): unwirksam wegen Personenidentität (Konfusion); Strohmann → § 117 BGB möglich; Manipulation → Anfechtung § 123, c.i.c. (§§ 280 I, 311 I, 241 II).

Extrem niedriger Preis (z.B. Pkw 1 €) → nicht automatisch § 138 BGB; Risiko der Auktion; „Schnäppchenjäger“ grundsätzlich nicht sittenwidrig.

Ausnahme (BGH VIII ZR 182/17): „Abbruchjäger“, der gezielt auf Schadensersatz aus ist → evtl. § 242 BGB.

Rücknahme nur in den eBay-AGB-Fällen (z.B. Irrtum § 119, unverschuldeter Verlust). Darlegungs-/Beweislast beim Verkäufer.

Keine Anscheinsvollmacht bei einmaliger unbefugter Account-Nutzung trotz Fahrlässigkeit (Passwort).
Bsp.: 14-jähriger bestellt unter Vaters Account → keine Vollmacht/Anscheinsvollmacht; § 179 III 2 BGB schützt Minderjährigen.

Sekundäre Darlegungslast: Account-/Anschlussinhaber muss plausibel benennen, wer sonst gehandelt haben könnte; ggf. Familienangehörige benennen (kein umfassender Schutz durch Art. 7 EU-GRCh / Art. 6 GG); keine generelle Überwachungspflicht (vgl. § 67 VI TKG).

Bewertungen: Meinungsfreiheit vs. Schutz vor Unwahrheiten/Schmähkritik abwägen (BGH NJW 2023, 918: „Versandkosten Wucher!“ zulässig). Ansprüche ggf. aus Delikt (APR/Gewerbebetrieb) und §§ 280, 241 II BGB (culpa post contractum finitum).

J. Verjährung

Tipp (Klausur): Nur selten zentral. Überblick über §§ 194 ff. BGB reicht oft.

Ansprüche unterliegen Verjährung (§ 194 I; hier auch Legaldefinition „Anspruch“).

Regelmäßige Frist: 3 Jahre (§ 195).
Beginn: Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstand und der Gläubiger Kenntnis hatte (§ 199 I).

Beispiel: Kaufpreisforderung vom 12.10.2021 → Verjährung 31.12.2024.
Praxis: Jahresende → verjährungshemmende Schritte (z.B. Mahnbescheid, § 204 I Nr. 3).

Beachte (Dieselskandal): Medienbekanntheit Herbst 2015 → regelmäßig Verjährung 31.12.2018; aber BGH VI ZR 1118/20: keine Pflicht zum Medienkonsum; möglich: § 204a Verbandsklage, § 852 BGB.

Längere Fristen u.a.:

30 Jahre: Leben/Körper/Gesundheit/sexuelle Selbstbestimmung (§ 197 I Nr. 1; Beginn/hemmungsspezifisch §§ 199 II, III; § 208 bis 21. Lj.; bei unverjährbaren Verbrechen auch zivilrechtliche Ansprüche unverjährbar, § 194 II Nr. 1).

30 Jahre: rechtskräftig festgestellte, vollstreckbare Ansprüche (§ 197 I Nr. 3, 4).
Achtung: Wiederkehrende Leistungen (z.B. Unterhalt) → wieder 3 Jahre (§ 197 II).

30 Jahre: Herausgabe aus Eigentum/dinglichen Rechten (§ 197 Nr. 2; z.B. § 985).

Sonderregelungen im Gewährleistungsrecht (kürzer):

Kaufrecht: 2 Jahre ab Ablieferung (§ 438 I Nr. 3, II; Verbraucher: evtl. Verlängerung § 475e III).

Werkvertragsrecht: § 634a BGB.

Konkurrenz Delikt/Vertrag:
Oft Frage, ob kurze vertragliche Verjährung auf deliktische Ansprüche durchschlägt:

Bejaht bei Dauerkonstellationen (Miete/Leihe: §§ 548, 606) → sonst leerlaufend.

Verneint h.M. im Kauf-/Werkvertragsrecht.

Hemmung der Verjährung (Auswahl):

Klageerhebung (§ 204 I Nr. 1) – Zustellung maßgeblich; Rückwirkung § 167 ZPO.
Bsp.: Klage 21.12.2024 anhängig, Zustellung 02.01.2025 → § 167 ZPO rettet.

Verhandlungen (§ 203).

Mahnbescheid (§ 204 Nr. 3).

Rechtsfolgen nach Eintritt:

Anspruch einredebehaftet – Leistungsverweigerung (§ 214 I).

Terminologie: peremptorische Einrede (dauerhaft) vs. dilatorisch (vorübergehend, z.B. Zurückbehaltungsrecht).

Erfüllung bleibt möglich; kein Rückforderungsanspruch (§ 214 II).

Aufrechnung bleibt möglich (§ 215), wenn Forderungen irgendwann aufrechenbar gegenüberstanden.

Dingliche Sicherheiten (Hypothek, Sicherungseigentum) bleiben unberührt (§ 216).

Rücktritt:

Gestaltungsrecht, verjährt nicht; aber § 218 BGB: Rücktritt unwirksam, wenn Nacherfüllungsanspruch verjährt ist. (Begrifflich sauber bleiben – manche Korrektoren achten drauf.)